Zur Zeit bin ich wieder in meiner „alten“ Heimat, in Sebnitz unterwegs. 660km liegt diese von meiner „neuen“ Heimat, dem Berchtesgadener Land entfernt. Beides oft schwer miteinander vereinbar aufgrund der enormen geografischen Entfernung. Dennoch seit inzwischen 14 Jahren Realität. Als ich gestern bei meiner lieben Omi saß, sagte sie einen Satz zu mir, der mich zum Nachdenken brachte: „Ich habe keine Heimat mehr!“ Aus ihrer Sicht sehr nachempfindbar, wo sie doch nun schon seit geraumer Zeit in einer Senioren-WG leben muss und es ihr gesundheitlich nicht gut geht. Doch wie schaut es eigentlich bei mir selbst mit Heimatgefühlen aus? Bin ich nach so langer Zeit in Bayern wirklich angekommen oder vergleiche ich immer noch mit Sachsen? Und welche Rolle spielt Salzburg? Ein ehrliches Resümee.
Heimat ist dort, wo dein Herz lebt
Das Sprichwort bringt zum Ausdruck, was für mich Heimat bedeutet. Für mich ist Heimat nicht mit einem festen Ort verbunden. Ich habe ein Gefühl von Heimat, wenn ich mich sicher und geborgen fühle, wenn ich Herzenswärme spüre und mich von Liebe und Zuneigung umgeben fühle. In meiner Heimat fühle ich mich zugehörig und erhalte Orientierung und einen sicheren Anker in der schnelllebigen Welt. Für mich sind vor allem vertraute Menschen, persönliche Dinge, bestimmte Orte und schöne Erinnerungen, besondere Erlebnisse, Gewohnheiten und Traditionen mit Heimat verbunden.
Das Berchtesgadener Land – eigentlich ideale Kombination aus bayr. Landleben und Stadtflair um die Ecke
Mit dem Berchtesgadener Landkreis bin ich durch meine Arbeit schon 8 Jahre eng verbunden. Seitdem ich auch hier wohne, ist es sogar noch enger geworden, weil mir nun gewisse Themen auch ein persönliches Anliegen sind. So zum Beispiel alles, wo es um Kinder und Familien geht. Warum? – Weil ich mir für meine eigenen Kinder wünsche, dass sie nicht, so wie ich selbst es erlebt habe, nach der Schulausbildung wegziehen müssen, weil ihnen ihre Heimat keinerlei Perspektiven eröffnet. Ich wünsche mir für sie, dass sie bei ihren Wurzeln Flügel schlagen können; dass sie die freie Wahl haben, wo sie ihre eigenen Zelte aufschlagen. Ich wünsche ihnen, dass sie in der Nähe ihrer Familien und ihrer Freunde aus Kindergarten- und Jugendtagen bleiben können, wenn sie das möchten; und dass für sie nicht mit jedem neuen Lebensabschnitt auch ein kompletter Neuanfang verbunden ist.
Um junge Leute langfristig in der Region halten zu können, sind meiner Auffassung nach u.a. attraktive Schul-, Ausbildungs- und Jobangebote sowie eine gut ausgebaute Infrastruktur, vor allem bezahlbarer Wohnraum, schnelle Verkehrswege und schnelle Wlan-Verbindungen erforderlich. Auch eine demokratische Beteiligung, abwechslungsreiche und leistbare Ferienangebote, ausreichend und qualitativ hochwertige Krippen-, Kindergärten- und Hortplätze sowie vielfältige Jugendangebote tragen dazu bei, dass sich Familien und Kinder in der Region willkommen fühlen, bleiben wollen und sich sogar dafür engagieren. Die Region fasse ich absichtlich so weit, weil sie für mich auch Salzburg und den Traunsteiner Landkreis mit einschließt. Fakt ist, dass sehr viele BGLer genau zwischen diesen drei Regionen hin- und herpendeln. Es wäre aus meiner Sicht noch viel mehr machbar, wenn die Institutionen und Behörden aller Seiten langkreis- und längerübergreifend noch stärker als bisher zusammenarbeiten! Ich finde, mein EuRegio-Familienblog ist ein wunderbares Beispiel, was alles möglich ist! Mehr solcher Initiativen bräuchte es, dann würde vielleicht auch der Graben zwischen den Ösis und den Piefken weniger.
Für mich persönlich hat das private Fuss fassen im Berchtesgadener Land einige Zeit gedauert. Ich habe viele Kontakte über meine Arbeit geknüpft. Mit einigen von denen bin ich inzwischen auch befreundet. Inzwischen kann ich auch sagen, dass ich auf dem besten Wege bin, im Landkreis auch privat anzukommen und mich zugehörig zu fühlen. Ich werde sicher nie eine echte Bayerin werden mit bayr. Akzent, Dirndl, Mitgliedschaft im Trachtenverein, etc., Ich weiß auch nicht, ob mein Herz je so richtig wild und stürmisch für den Berchtesgadener Landkreis schlagen wird. Aber ich habe meinen Platz hier gefunden und fühle mich wohl. Meine bessere Hälfte, ein echter BGLer Buam, tut auch alles dafür, dass ich mich jeden Tag ein bisschen mehr hier heimisch fühle. Immerhin wollen wir hier gemeinsam bleiben 🙂
Mein Herz schlägt für Salzburg
„Gibt mir ein kleines Stückchen Sicherheit, in einer Welt, in der nichts sicher scheint. Und gib mir in dieser schnellen Zeit, irgendwas das bleibt.“
(Textzeile aus dem Song „Irgendwas bleibt“ von Silbermond, 2009)
Wenn ich gefragt werde, für welchen Ort mein Herz schlägt, kann ich voller Überzeugung sagen: für Salzburg. Seit 2009 schlägt mein Herz schon für diese Stadt. Ich werde nie vergessen, als ich das erste Mal auf dem Mönchsberg oben stand und auf Salzburg von oben heruntersah. Alles sah so herrlich aufgeräumt und friedlich aus. Ich erinnere mich, so ein warmes, wohliges Gefühl kam in mir auf.
Fünf Jahre habe ich letztlich direkt in Salzburg gelebt. Es war eine wunderschöne Zeit! Ich mag besonders die auf den ersten Blick vielleicht unscheinbar wirkenden Orte von Salzburg, fernab von den Touristenmassen – zum Beispiel das Steintheater im Hellbrunner Park, wo ich oft mit dem Radl unterwegs schon war; das Kleine Theater in Schallmoos, wo meine zwei Lieblingsschauspieler Edi Jäger und Anita Köchl regelmäßig die Bühne rocken, die Richterhöhe am Mönchsberg, mein Ort zum Kraft auftanken und zum Sonne genießen. Jeder dieser und andere Orte sind mit ganz persönlichen Geschichten, mit Gefühlen, oft auch mit anderen Menschen verbunden. Deswegen sind sie für mich was Besonderes!
Die extrem hohen Mietpreise und auch die Schwierigkeiten, die ich trotz EU als deutsche Staatsbürgerin immer wieder in Österreich hatte, waren letztlich leider der Grund, warum ich 2014 letztlich wieder nach Deutschland gezogen bin und seither eben im Berchtesgadener Land wohne. Ich würde sofort wieder nach Österreich ziehen, wenn die Miet- und Grundstückspreise humaner werden und endlich praktikable und transparente Grenzgängerregelungen geschaffen werden.
Einmal Sachse, immer Sachse!
Ich bin stolz darauf, Ossi zu sein, denn in Sachsen wurde ich geboren. Dort ist meine Heimat und ich verbinde damit auch die Erinnerungen an meine wunderschöne Kindheit, an den Ort, zu dem meine Familie und Schulfreunde gehören. Sie sind Teil meines Lebens.
Ich bin fest verwurzelt mit Sachsen. Ich freue mich, wenn ich nach Hause fahre und den sächsischen Dialekt höre, die Entspanntheit und Direktheit der Menschen erleben kann. Das Gemeinschaftsgefühl, den Zusammenhalt, diese ganz besondere Mentalität.
Ob ich je wieder hierher zurückkehre? – Das steht in den Sternen. Aktuell eher nein, denn was nützen mir mein Verbundenheitsgefühl und die einmalig gewährten Rückkehrer-Prämien, die von den Städten und Gemeinden gezahlt werden, wenn es vielerorts im Osten nach wie vor an einer echten Perspektive für uns jüngere Leute und unsere Kinder fehlt?
Was es braucht, sind kommunale Entwicklungskonzepte: Wie kann die Kaufkraft wieder in die Region geholt werden? Wie können Potentiale stärker wie bisher ausgeschöpft bzw. Neue entdeckt werden? Wie können die Bürger involviert werden, damit wieder ein friedliches Miteinander und tolerantes Füreinander entsteht? Was es braucht sind Zeit, Geld, und vor allem enthusiastische Menschen. Es braucht offene Köpfe, die auch mal quer denken und den Mut haben, sich für Veränderungen und Visionen einzusetzen.
Fotos: ©Katharina Theissig