Etablierung im Job, Karriere machen, Eingehen einer festen Partnerschaft, eine Familie gründen, ein Haus bauen, sich auf einen festen Wohnsitz verständigen, Verantwortung für bzw. kümmern um älter werdende Eltern – Männer und Frauen im Alter zwischen Mitte 20 und Anfang 40 sehen sich vielfältigen gesellschaftlichen und selbst gesteckten Anforderungen gegenüber und sind so mittendrin in der „Rush hour des Lebens“.
Das Gefühl von Überforderung ist in dieser Zeit allgegenwärtig. Druck, Stress, Hektik und eine innere Zerrissenheit sind die Folgen. Meist sind Frauen von diesem Effekt stärker betroffen als Männer. Trotz aller Emanzipation treffen sie die Auswirkungen einer Familiengründung härter. Viele Paare tappen dabei ungewollt in eine Falle: War die Auszeit der Frau oft nur für die Stillzeit angedacht, so manifestiert sich bei vielen Paaren die traditionelle Rollenverteilung: Mütter kümmern sich überwiegend um Haushalt und Kinder, würden aber gerne wieder oder mehr arbeiten. Väter arbeiten hingegen oft in Vollzeit und wünschen sich mehr Zeit für die Familie. Grund dafür ist oft der bessere Verdienst des Mannes. Doch zufrieden sind mit dieser Situation beide Partner vielfach nicht.
Welche praktischen Lösungswege lassen sich finden, um sich in der persönlichen Rushhour nicht zu verrennen, sondern einen kühlen Kopf zu bewahren und den Durchblick zu behalten?
Bremse deinen Schweinsgalopp!
Wie im Berufsverkehr hilft auch beim persönlichen und beruflichen Entscheidungsmarathon die Taktik: Mit Gelassenheit schauen, was da kommt! Nur auf der Hochgeschwindigkeitsspur zu sein ist sinnlos und macht auf Dauer krank. Es geht darum, aus dem Hamsterrad von „höher, schneller, weiter“ auszusteigen und bewusst die Frage zu beantworten, wann Geschwindigkeit und wann Langsamkeit als hilfreich, kreativ und schöpferisch erlebt wird. Die Zeiten, in denen „Innehalten“ und Reflexion angesagt sind, in denen durchgeatmet, regeneriert und aufgetankt werden kann und man sich wieder orientiert, sind unglaublich wichtig. Generell ist es zu empfehlen, wenn du dir Inseln der Regeneration in deinem Alltag einbaust – Sport zahlt sich immer aus, aber auch andere Aktivitäten können für Entschleunigung sorgen. Wichtig ist, es muss dir Spaß machen und darf sich nicht nach Verpflichtung anfühlen!
Besinne dich auf das Wesentliche im Leben!
Um dem täglichen Wahnsinn immer öfter ein Schnippchen zu schlagen, weniger fremdgesteuert zu sein und damit eine bewusstere Lebensführung zu erreichen, hilft es, wenn du dir immer wieder die Zeit nimmst, um in Ruhe zu überlegen, wer du bist, wo du herkommst und was dir wirklich wichtig ist.
Grundsätzlich setzt sich die menschliche Identität aus 5 Säulen zusammen: Soziale Beziehungen, Leistung und Beruf, Körper, materielle Sicherheit sowie Werte und Ideale. Bröckelt eine dieser Säulen, stürzt das Ganze ein und Krise, Burnout und Depression sind die Folge.
Um herauszufinden, was dir ganz persönlich im Leben wirklich wichtig ist, kannst du folgendes Gedankenexperiment machen: Stell dir vor, du feierst deinen 85.Geburtstag. Du hast die Aufgabe, eine spontane Rede über dein Leben zu verfassen. Welche Sätze würdest du formulieren? Welche Bereiche deiner Persönlichkeit würdest zu besonders hervorstreichen?
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Stabile Zonen unterstützen, geben Halt und stärken die Resilienz
Ein gutes Rüstzeug, um in Krisen und Umbrüchen Halt zu finden, bietet das Konzept der „stabilen Zonen“ (Dr. Roswitha Königswieser). Stabile Zonen steuern unser Handeln und unseren Blick auf die Welt. Sie bestimmen, wie wir Ereignisse und Begegnungen bewerten. Wenn wir uns damit befassen, was uns trägt und wie wir unser Leben gestalten wollen, gewinnen wir neuen Mut und die Zuversicht, für eine Veränderung zu kämpfen. Stabile Zonen helfen zudem, „seelischen Speck“ für Notzeiten anzusparen. Du musst dich allerdings davor schon regelmäßig um sie kümmern und darauf Acht geben, dass dein Alltag etwas aus allen stabilen Zonen aufweist.
Stabile Zonen sind: Ideen – Dinge, an die wir glauben und die uns wichtig sind (z.B. Religion, Spiritualität, Philosophie, Tradition, Moral), Macht – Zugang zu Ressourcen, Wissen, Netzwerken, Menschen – Personen, zu denen bedeutsame, wertvolle und dauerhafte persönliche Beziehungen bestehen, in die vertraut werden darf (z.B. zu Partner, Eltern, Geschwister, vertraute Freunde), Orte – ein besonderer Platz, der für dich „Heimat“ bedeutet und an den du gerne zurückkehrst (Kraftplatz), Dinge – alte Erinnerungsstücke, Glücksbringer, die dir innere Stärke verleihen, Organisationen – Gemeinschaften, mit denen du dich identifizierst oder deren Überzeugungen du teilst (z.B. berufliche Netzwerke, Vereine, Kirchengemeinden, politische Gruppen).
Folgende 6 Leitfragen können dir in gesundheitlichen und beruflichen Umbruchsphasen – also auch in der Rushhour des Lebens – Orientierung und Sicherheit geben:
- Welche stabilen Zonen hast du?
- Wie stabil sind deine Zonen?
- Was nützen dir die stabilen Zonen morgen? Wie kannst du wegbrechende Zonen kompensieren?
- Welchen Einfluss hast du selbst auf deine stabilen Zonen?
- Was investierst du in deine stabilen Zonen?
- Wie vertragen sich deine stabilen Zonen mit Beruf und Familie?
Gerechte Arbeitsteilung zwischen Mann und Frau
Wer weniger in den Sog der stressenden Rushhour geraten will, sollte sich Kinderbetreuung, Haushalt und Erwerbstätigkeit gerecht teilen. Denn Fakt ist nun einmal, es ist schwierig, alles gleichzeitig zu haben. Der Tag hat nun einmal nur 24 Stunden. Jeder von uns muss sich also entscheiden, in welche Lebensbereiche er wie viel Zeit investiert.
Idealerweise ist es ein ständiges Miteinander – Verhandeln zwischen Mann und Frau, wer welche Rolle in der Familie übernimmt und mit welchen Zeitanteilen. Hausarbeit und Kinderbetreuung sollten dabei die gleiche Wertigkeit und Wertschätzung zugesprochen bekommen wie eine außerhäusliche Erwerbstätigkeit.
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Wenn nicht wir, wer sonst? – Erheb auch du deine Stimme!
Solange sich Frauen und junge Mütter mit der Frage konfrontiert sehen, ob sie sich zwischen Kind und Karriere entscheiden müssen, bleibt viel zu tun in der deutschen und österreichischen Familienpolitik. Was es braucht, ist ein Aufbegehren von uns allen. Auch von den Männern, die noch viel zu wenig für bessere Arbeitsbedingungen streiten, die es ihnen erlauben, sich um die Familie zu kümmern. Denn Wir alle sollten darum kämpfen, dass es endlich flächendeckend bezahlbare und qualitativ hochwertige Kinderbetreuung gibt und dass in den Unternehmen mehr Flexibilität und eine Kultur einzieht, in der eine Phase der Teilzeitarbeit nicht das Ende der Karriere bedeutet, sondern beruflicher Erfolg auch jenseits der 50 noch möglich ist.
Buchempfehlungen:
Dr. Walter Schmidt: Rushhour des Lebens: „Vereinbarkeitskarrieren“ im Brennpunkt des Konfliktes zwischen Berufs- und Familienorientierung
Susanne Garsoffsky: Die Alles-ist-möglich-Lüge
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