Seit 25 Jahren gilt die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen. Dieser haben sich Deutschland und Österreich im Jahr 1992 angeschlossen. Seitdem wird in Deutschland darüber diskutiert, Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern. Das Nachbarland Österreich hat diesen Schritt 2011 bereits gewagt und die Kinderrechte ins Bundesverfassungsgesetz aufgenommen. Was für beide Länder bleibt, sind die Fragen: Sind die Kinderrechte ausreichend bekannt? Werden sie im Alltag geachtet? Wo können die Rechte von Kindern noch besser umgesetzt werden?
Die UN-Kinderrechtskonvention – worum geht es eigentlich?
Die Kinderrechtskonvention ist eine Abmachung über die Rechte des Kindes. Sie wurde 1989 von den Vereinten Nationen (englisch: United Nations, Abkürzung: UN) – einem Zusammenschluss fast aller Länder der Erde (Ausnahme: Somalia, Südsudan und USA) – beschlossen. Die Vereinten Nationen setzen sich für den Frieden in der Welt ein und arbeiten in wichtigen Fragen zusammen – auch in Sachen Kinderrechte. Die UN-Kinderrechtskonvention soll dafür sorgen, dass die Rechte aller Kinder auf Förderung, Versorgung, Schutz und Beteiligung in der ganzen Welt anerkannt und verwirklicht werden.
Die VN-Kinderrechtskonvention ist geprägt von vier Grundprinzipien:
Gleichbehandlung (Schutz vor Diskriminierung): Die VN-Kinderrechtskonvention gilt für alle Kinder und Jugendliche, unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Staatsangehörigkeit, Kultur, Religionszugehörigkeit, Sprache, Behinderungen oder politischen Ansichten. Alle Kinder und Jugendlichen weltweit sind Trägerinnen und Träger von Kinderrechten (sogenannte „universelle Geltung der Kinderrechte“).
Recht auf Leben und persönliche Entwicklung: Jedes Kind hat das Recht, in einem geschützten Rahmen heranzuwachsen und sich zu einer eigenverantwortlichen und gesellschaftsfähigen Persönlichkeit zu entwickeln. Kinder und Jugendliche sollen in ihrer Entwicklung gefördert werden und die Möglichkeit erhalten, aktiv am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Zu einem würdevollen Leben gehören auch die Prävention von Krankheiten und der Schutz vor Gewalt.
Kindeswohlvorrang: Bei allen staatlichen Handlungen, die Kinder betreffen, sind das Wohl und die Interessen von Kindern vorrangig zu berücksichtigen. Voraussetzung hierfür ist, dass Kinder alters- und entwicklungsspezifisch beteiligt werden.
Recht auf Beteiligung: Kinder und Jugendliche sollen die Möglichkeit erhalten, gehört zu werden. Sie dürfen ihre Anliegen und Beschwerden äußern. Bei staatlichen Entscheidungen, die das Kind oder den Jugendlichen betreffen, sollen sie ihrem Alter und ihrem Entwicklungsstand entsprechend beteiligt werden und ihre Meinung soll berücksichtigt werden.
In Deutschland wird das Übereinkommen ergänzt durch drei Fakultativprotokolle: (1) das Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten, (2) das Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend den Verkauf von Kindern, die Kinderprostitution und die Kinderpornografie und (3) das Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend ein Mitteilungsverfahren (das sogenannte Individualbeschwerdeverfahren).
Jede Regierung, die der Abmachung über die Rechte der Kinder zugestimmt hat, verspricht, sie einzuhalten. Bis heute haben 192 Länder die UN-Konvention ratifiziert ( = unterschrieben), also fast alle Länder der Erde. Darunter auch Deutschland und Österreich. Hier gelten die Kinderrechte seit 1992 und zwar für alle Menschen, die noch nicht erwachsen sind, das heißt sowohl für kleine Kinder (ab der Geburt) als auch für Jugendliche bis zum Alter von 18 Jahren.
Was hat die UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland verbessert?
Einige wichtige Erfolge der UN-Kinderrechtskonvention gibt es bereits:
- Kinder, deren Eltern nicht verheiratet sind, haben inzwischen dieselben Rechte wie Mädchen und Jungen verheirateter Eltern. Früher waren eheliche Kinder bevorzugt.
- Schläge verboten! Endlich gibt es ein Gesetz, das Kindern ein Recht auf gewaltfreie Erziehung zusichert.
- Der Jugendarbeitsschutz wurde verbessert.
- Alle drei- bis sechsjährigen Mädchen und Jungen haben einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz.
- Heute gibt es außerdem mehr und bessere Mitbestimmungs- und Beteiligungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche in Städten und Gemeinden als noch vor 15 oder 20 Jahren.
- Seit 1998 Recht auf beide Eltern: So bleiben heute in der Regel beide Eltern nach einer Trennung oder Scheidung in der Verantwortung für ihr gemeinsames Kind, unabhängig davon, ob die Eltern verheiratet waren oder nicht. Auch haben Kinder ein Umgangsrecht zum getrennt lebenden Elternteil.
Das alles sind Auswirkungen und Erfolge der UN-Kinderrechtskonvention! Und doch ist noch einiges zu tun! Zum Beispiel sind Flüchtlingskinder rechtlich immer noch nicht deutschen Kindern gleich gestellt, weil Deutschland diesen Teil der UN-Kinderrechtskonvention noch nicht mitträgt. Heiß umstritten sind auch die vorgeburtlichen Rechte – in der Kinderrechtskonvention werden sie bislang nicht berücksichtigt. Die Frage lautet beispielsweise: Ist es Missbrauch am Kind, wenn eine Frau in der Schwangerschaft Alkohol trinkt? Auch ökologische Kinderrechte, wie ein Schutz vor Bedrohung durch menschlichen Raubbau, haben bislang noch keinen Platz in der Konvention.
Warum braucht es eine Verankerung der Kinderrechte im deutschen Grundgesetz?
Ein großer Haken ist noch immer der rechtliche Vorrang des Grundgesetzes vor der Konvention. Deshalb die Forderung vieler Kinderverbände: Die Kinderrechte müssen ins Grundgesetz!
Das Grundgesetz ist Ausdruck der wesentlichen Werte unserer Gesellschaft. Derzeit werden Kinder in unserer Verfassung nicht ausdrücklich als Rechtssubjekte benannt, sondern lediglich als Anhängsel ihrer Eltern. Dies lässt Fehlinterpretationen zu, auch wenn das Bundesverfassungsgericht längst anerkannt hat, dass Kinder Träger von Grundrechten sind.
Die Verankerung von Kinderrechten in der Verfassung hätte grundsätzlich zur Folge, dass bei Entscheidungen in Politik, Justiz und Verwaltung die Interessen von Kindern und Jugendlichen stärker als bisher angehört und berücksichtigt werden müssen. Das Wohl von Kindern und Jugendlichen und ihre Meinung müssten dann besonders berücksichtigt werden. Im Ausländer- und Asylrecht z.B. wird das Kindeswohl immer noch nicht vorrangig berücksichtigt. So haben Kinder und Jugendliche, die nach ihrer Flucht dringend Hilfe und Unterstützung benötigen, z.B. nicht das gleiche Recht auf gesundheitliche Versorgung, Betreuung und Bildung wie Kinder mit deutschem Pass. Außerdem ist es aktuell leider noch so, dass das Recht auf Bildung und Gesundheit stark von der sozialen Herkunft abhängt. Auch die Aufklärung über Kinderrechte in Kitas und Schulen ist noch ausbaufähig. Die Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz würde zudem auch zum Schutz der Kinder vor sexueller Gewalt beitragen. Damit setzt die Gesellschaft ein klares Signal der Selbstverpflichtung. Was es braucht ist ein Gesamtkonzept, um den Kinderrechten in unserer immer stärker von älteren Menschen geprägten Gesellschaft überall Nachdruck zu verleihen!
Und wie schaut die Situation in Österreich aus, wo die Kinderrechte seit 2011 im Bundesverfassungsgesetz verankert sind?
Österreich ist in diesem Bereich Deutschland Jahre voraus. Während in Deutschland aktuell erneut die Frage heftig diskutiert wird, ob es überhaupt eigene Rechte für Kinder braucht und ob diese tatsächlich im Grundgesetz verankert werden müssen, ist dies in Österreich längst usus. Es braucht Kinderrechte, die verfassungsrechtlich verankert sind. Denn durch sie können Kinder gestärkt werden. Kinderrechte richten sich dabei nicht gegen die Rechte der Eltern. Sie stärken lediglich deren Achtung vor den Rechten der Eltern und aller anderen. Es kann nicht sein, dass die Elternrechte mehr Gewicht beigemessen wird und die Rechte der Kinder weniger wert sind. Eigene Kinderrechte haben einen Sinn, nämlich die Perspektive der Kinder aufzuzeigen. Den Kinderrechten – wie bspw. die Rechte auf Nahrung, Bildung, Freizeit oder Partizipation, nicht zu vergessen die Rechte auf Schutz vor Gewalt und Ausbeutung – einen besonderen Status einzuräumen bringt also die Möglichkeit mit sich, diese Rechte nicht aus dem Blickwinkel der Erwachsenen sondern aus dem Blickwinkel der Kinder zu betrachten.
In ganz Österreich gibt es seit 1993 Kinder- und Jugendanwaltschaften, deren Aufgabe es ist, die Umsetzung der Kinderrechte zu forcieren und kritisch zu beobachten. Das bedeutet, die Kinderrechte in der Bevölkerung bekannter zu machen und sich für eine Verbesserung der Lebensbedingungen aus kinderrechtlicher Sicht einzusetzen. Österreich hat nicht nur im Jahr 1992 die Kinderrechtekonvention anerkannt, in deren Umsetzung die Kinder und Jugendanwaltschaften als unabhängige Interessensvertretungen für Kinder und Jugendliche implementiert wurden, sondern bereits Kinderrechte (leider noch nicht alle) 2011 in der Verfassung festgeschrieben. Selbstverständlich darf es, wenn es um die Rechte von Menschen geht, keine Unterschiede hinsichtlich des Alters geben – und darüber hinaus auch nicht hinsichtlich Herkunft, Geschlecht, Sprache, Religion etc. Dennoch brauchen Kinder besonderen Schutz und besondere Unterstützung, damit ihre Rechte im alltäglichen Leben auch gewahrt bleiben und umgesetzt werden. Wünschenswert wäre natürlich, wenn alle 54 Artikel der Kinderrechtskonvention Verfassungsrang bekämen.
Interessante Internetadressen zum Thema:
Kinderrechte – für Kinder erklärt
Nähere Informationen des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu den Kinderrechten
Kinder- und Jugendanwaltschaft Salzburg (KiJa)
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