Ein Leben ohne Fernsehen, Internet und Smartphone ist für die meisten Menschen heute nicht mehr vorstellbar. Welche Chancen und Möglichkeiten, aber auch welche Risiken und Gefahren die Digitalisierung bietet, veranschaulichen noch bis 23.03.2018 die Chiemgauer Medienwochen. Bereits zum zweiten Mal veranstaltet der Landkreis Traunstein gemeinsam mit dem Kooperationspartner Q3. Quartier für Medien. Bildung. Abenteuer verschiedenste medienpädagogische Projekte. Neben Bildungsangeboten für Schulen und Schulklassen gibt es ebenso Veranstaltungen im Bereich klassische und neue Medien für Eltern und Fachkräfte der Kinder- und Jugendarbeit. Der inhaltliche Schwerpunkt liegt heuer auf den Chancen und Herausforderungen der „Arbeitswelt 4.0“. Was damit genau gemeint ist, welche Kompetenzen es bei den Kindern und Jugendlichen braucht und welchen Beitrag das Eltern, das Bildungssystem sowie lokale Unternehmen leisten können, verrät Stefan Dufter.
Im Interview mit Stefan Dufter
Was ist mit dem Begriff der „Digitalisierung“ gemeint?
Im Laufe der letzten Jahrzehnte sind Medien wie Fernsehen, Computer und Internet, Smartphones und Tablets selbstverständlicher Bestandteil unseres Alltags geworden. Die Bedienung der Medien wird immer einfacher und vor allem das Internet eröffnet unbegrenzte Möglichkeiten. Gleichzeitig zeigt sich, dass nur wenige Kinder und Jugendliche auch wissen, welche Konsequenzen mit der Bedienung der Geräte verbunden sind, zum Beispiel welche Informationen man durch die Nutzung unwissentlich mitliefert. Auch werden die Risiken der „neuen“ Medien häufig unterschätzt, wie zum Beispiel unbedachte Datenpreisgabe, problematische Inhalte und zu intensive Nutzung von Medienangeboten.
Mit den Chiemgauer Medienwochen sollen Kinder, Jugendliche, aber auch Erwachsene und Eltern fit gemacht werden für die Digitalisierung.
Welche Kompetenzen sind für die Arbeitswelt 4.0 gefragt?
Fit sein für die Digitalisierung heißt: kompetent mit der fortschreitenden Digitalisierung umgehen zu können sowie in der digitalen Welt verantwortungsvoll agieren und diese aktiv mitgestalten zu können. Neben technischen Anwendungsfähigkeiten im Bereich digitaler Technologien und teilweise Programmierkenntnisse, sind auch Fähigkeiten digitaler Kommunikation sowie auch Wissen über seriöse digitale Quellen, digitale Geschäftsmodelle, Datensicherheit, Schutz der Privatsphäre oder die Funktionsweise von Algorithmen wichtig. Fit sein für die Digitalisierung schließt zudem auch kritisches Denken, soziale Fähigkeiten wie Empathie mit ein oder die Kompetenz, die eigene Bildschirmzeit oder digitale Erreichbarkeit sinnvoll zu steuern. Es hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass gerade im digitalen Zeitalter nicht nur technische Kompetenzen gefragt sind, sondern transversale Kompetenzen (auch: überfachliche Kompetenzen, Soft Skills). Dazu gehören beispielsweise Problemlösungsfähigkeiten, komplexe Informationen verarbeiten, abstraktes Denken, Zeitmanagement, interpersonale und interkulturelle Kompetenzen, Resilienz, Ausdauer, Anpassungsfähigkeit, Veränderungsbereitschaft, Kreativität, kritisches und unternehmerisches Denken.
Welche Konsequenzen ergeben sich aus der Digitalisierung der Arbeitswelt für das Bildungssystem sowie auch für außerschulische Aktivitäten, z.B. in der Kinder- und Jugendarbeit?
Verschiedene Studien haben gezeigt, dass transversale Kompetenzen außerschulisch offenbar besser vermittelt werden können: durch Eltern und Bezugspersonen, durch Lehrmeister und -innen in Betrieben, oder durch aktives Teilnehmen an außerschulischen Aktivitäten. Gerade in Vereinen oder Jugendgruppen, sei es zum Beispiel im Bereich Musik, Sport oder bei den Pfadfindern, bestehen zahlreiche Möglichkeiten für Kinder und Jugendliche, sich soziale, organisatorische und sogar Führungskompetenzen anzueignen. Außerdem bieten viele Vereine oder auch die Jugendarbeit Möglichkeiten zum freien Spiel, was kreativitätsfördernd wirkt und Freiräume fernab von Leistungsdruck zulässt.
Damit Kinder und Jugendliche gut auf die Anforderungen der Arbeitswelt 4.0 vorbereitet sind, braucht es aber auch eine Aktualisierung der Lehrpläne an den Schulen. Es sollten zunehmend digitale Geräte in den Unterricht einbezogen werden, um diese gezielt im Unterricht, für Hausaufgaben und weitere Schulprojekte einzusetzen.

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Wie können die Medienkompetenzen der Kinder und Jugendlichen in der Familie gefördert werden?
Digitale Medien wirken auf die meisten Kinder faszinierend und spielen für viele auch schon sehr früh eine große Rolle. Gleichzeitig wirft das Thema Medienerziehung in der Familie immer wieder Fragen auf und viele Eltern sind verunsichert, wie sie ihren Kindern den Umgang mit Medien näher bringen sollen. Ab welchem Alter ist ein eigenes Handy okay? Wie lange darf ein 10-Jähriger im Internet surfen? Und wie verhindere ich, dass mein Kind auf Seiten stößt, die es verunsichern könnten? Fragen über Fragen, die leider gar nicht so leicht zu beantworten sind.
Fakt ist: Jedes Kind hat individuelle Voraussetzungen und somit eine ganz eigene Ausgangsbasis, ist zum Beispiel mehr oder eben weniger anfällig für einen „exzessiven“ Medienkonsum oder kann mit Gefahren, die im Internet lauern, unterschiedlich gut umgehen. Pauschale Vorgaben bieten deshalb nur eine Orientierung und gelten nicht als festes Regelwerk.
Grundsätzlich sollten Eltern jedoch ein paar Hinweise beachten, um ihre Kinder und Jugendlichen beim Einstieg in die digitale Welt begleiten zu können:
(1) Eltern sollten ihren Kindern die wichtigsten Begriffe des Internets erklären: Was bedeutet es, online zu sein? Was sind Chats und wie nutze ich Suchmaschinen? Später sollte auch das Thema Datenschutz und sichere Websites erklärt werden.
(2) Die Dauer des Medienkonsums sollte genau festgelegt werden – immer altersentsprechend. Übermäßiger Medienkonsum sollte vermieden werden, da er zur Überforderung der Kinder führt.
(3) Eltern sollten selbst mit ihrer Mediennutzung positives Vorbild sein! Kinder lernen am meisten durch Nachahmung.
(4) Der Computer zu Hause sollte kindersicher sein. Dazu gehört z. B. auch die Installation eines Jugendschutzfilters oder einer Schutzsoftware wie JusProg oder KinderServer. Zu empfehlen ist auch die App meine-startseite.de. Dadurch kann Ihr Kind nur auf bestimmte Seiten zugreifen und Sie können zumindest zu Hause eingrenzen, was es im Internet ansehen kann.
(5) Eltern sollten ihre Kinder über die Gefahren im Internet aufklären, damit es lernt, Inhalte zu beurteilen. Wann handelt es sich z. B. um Werbung? Welche Konsequenzen kann es haben, wenn ich illegale Webseiten herunterlade? Welche Gefahren stecken in Online Games?
(6) Eltern sollten ihren Kindern die sinnvolle Nutzung von Internet und neuen Medien zeigen. Die neuen Medien bieten viele Möglichkeiten, sich kreativ auszuprobieren, selbst produktiv zu sein oder sich neues Wissen anzueignen.
(7) Medienerziehung in der Familie ist mehr als nur Regeln aufzustellen: Kinder wollen ernst genommen werden. Eltern sollten versuchen, im Gespräch mit ihren Kindern zu bleiben. Wenn sie sich für die Inhalte interessieren, mit denen sich ihr Kind beschäftigt, bleiben sie ein guter Ansprechpartner. Das ist unter Umständen besser, als wenn Freunde oder Geschwister diese Rolle übernehmen.
(vgl. auch Empfehlungen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZga) in der Broschüre: Gut hinsehen und zuhören! – Ratgeber für pädagogische Fachkräfte)
Eltern finden viele weitere Informationen und Ratgeber zu Fragen der familiären Mediennutzung. Ein populäres Beispiel ist die Initiative „SCHAU HIN!“. Seit März 2011 bietet die Internetseite „Surfen ohne Risiko“ Eltern Informationen für die Medienerziehung. Kinder bekommen durch eine mit kindersicheren Angeboten individuell gestaltbare Startseite einen sicheren Zugang zum Internet. Das Internetangebot www.surfen-ohne-risiko.net wurde in Zusammenarbeit mit jugendschutz.net erstellt. Auch das bayerische Familienportal bietet interessante Informationen und Links.
Die Chiemgauer Medienwochen finden heuer im Zeitraum vom 06.März bis 23.März 2018 an verschiedenen Veranstaltungsorten im gesamten Landkreis Traunstein statt. Was genau wird geboten?
Im Zeitraum vom 06.März bis 23. März 2018 finden insgesamt 38 Einzelveranstaltungen im gesamten Landkreis Traunstein statt, die durch die Zusammenarbeit des Landratsamtes Traunstein mit Q3. Quartier für Medien. Bildung. Abenteuer sowie zahlreichen weiteren Kooperationspartnern auf die Beine gestellt werden konnten. Eine Übersicht über die einzelnen Veranstaltungen ist hier zu finden. Alle Veranstaltungen können kostenlos und bis auf wenige Ausnahmen auch ohne vorherige Anmeldung besucht werden. Besonders zu empfehlen ist die Teilnahme am Showzimmer zum Abschluss der Chiemgauer Medienwochen, also am 23.März 2018 ab 19Uhr im Jugendzentrum Traunreut. Das Showzimmer bietet jungen Künstlern die Möglichkeit, ihr Talent auf einer öffentlichen Bühne darzubieten. Von Musik und Tanz bis hin zu Gedichten, Texten und Filmen. Auf der roten Showzimmer-Couch kommen außerdem Mitwirkende der Chiemgauer Medienwochen 2018 zu Wort, um die Veranstaltungen und Ergebnisse der letzten Wochen Revue passieren zu lassen.
Im Gespräch mit:
Stefan Dufter ist Sozialpädagoge und seit vielen Jahren Kreisjugendpfleger im Amt für Kinder, Jugend und Familie im Landratsamt Traunstein. Gemeinsam mit seiner Kollegin Ulli Himstedt ist er dafür verantwortlich, kinder- und jugendfreundliche Infrastrukturen in den Gemeinden und Städten des Landkreises Traunstein aufzubauen und zu fördern. Dafür stehen sie im engen Kontakt mit Kindern, Jugendlichen, jungen Erwachsenen, aber auch mit Eltern, LehrerInnen sowie Bürgermeistern und anderen politischen Entscheidungsträgern.
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